Wir sprechen regelmäßig mit interessanten Personen, greifen aktuelle Themen auf und gehen der Sache auf den Grund. Die Ergebnisse gibt es auf unserer Interview-Seite.
I
Pantheismus für Anfänger
Ein Interview mit Buchautor Simon Akstinat
mein TV – magazin:
Können Sie unseren Lesern kurz einmal erklären, was Pantheismus überhaupt ist?
Simon Akstinat:
Der Pantheismus ist der Glaube, dass Gott eben kein unsichtbarer Mensch ist, der uns bestraft oder belohnt, sondern viel mehr die Antriebskraft in allem, der ganzen Natur, deren Teil auch wir Menschen sind. Ein Schlüsselsatz des Pantheismus’ lautet daher auch: „Das einzige Buch, das Gott geschrieben hat, ist die Natur!“ Der Begriff setzt sich aus den griechischen Worten Pan (Alles) und Theos (Gott) zusammen, denn laut Pantheismus ist Gott in allem und alles ein Teil von Gott.
mein TV – magazin:
Wann haben Sie sich persönlich zum ersten Mal mit dem Thema auseinandergesetzt? Gab es da einen bestimmten Auslöser, einen Moment, an den Sie sich erinnern können?
Simon Akstinat:
Wie vermutlich die meisten Menschen in Deutschland, bin auch ich mit der Bibel aufgewachsen, deren Inhalte man aber spätestens in Jugendjahren immer mehr hinterfragt. Mein religiöses Interesse war deswegen aber nicht einfach verpufft, sondern ich kam in meiner Schulzeit durch freies Nachdenken zum Pantheismus, von dem ich erst später erfuhr, dass es ihn bereits gab und er schon einen Namen hatte.
mein TV – magazin:
Pantheismus hat einige prominente Befürworter – von verstorbenen Größen wie Johann Wolfgang von Goethe über Albert Einstein bis hin zu Schauspielern wie Harrison Ford. Weshalb erlebt Pantheismus Ihrer Meinung nach gerade einen solchen Zustrom? Hat das auch etwas mit der heutigen Zeit zu tun?
Simon Akstinat:
Viele Menschen sind bereits Pantheisten, ohne es zu wissen, weil ihnen der Begriff „Pantheismus“ völlig unbekannt ist. Dass es heute ein vielleicht geschärftes ökologisches Bewusstsein bei vielen Menschen gibt, mag eine Rolle spielen. Außerdem ist er vermutlich auch deswegen attraktiv, weil er – wie bereits die britisch-viktorianische Schriftstellerin Constance Plumptre 1878 richtig feststellte – der einzige Gottesglaube ist, der niemals im Widerspruch zur Wissenschaft steht. Aber der Pantheismus ist kein Kind der heutigen Zeit. Schon im 13. Jahrhundert waren z. B. die pantheistischen Amalrikaner in Frankreich aktiv (die dafür leider verbrannt wurden), Heinrich Heine bezeichnete den Pantheismus schon 1834 als die „verborgene Religion Deutschlands“, und auch der Glaube einiger Indianer an Manitu und den Großen Geist ist nichts anderes als Pantheismus.
mein TV – magazin:
Sie haben zu dem Thema ein Buch geschrieben: „Pantheismus für Anfänger: Der kaum bekannte Gottesglaube von Goethe, Einstein und Avatar“. Welchen Menschen würden Sie dieses Buch besonders ans Herz legen? Sprich: Wie merkt man, dass man eigentlich ein Pantheist ist, ohne es vielleicht selbst zu wissen?
Simon Akstinat:
Mein Buch kann den Lesern eine Alternative zu den bekannten Religionen aufzeigen. Außerdem empfehle ich es Menschen, die schnell verstehen wollen. Ich habe bewusst darauf geachtet die Gottesvorstellung des Pantheismus einfach und ohne Fachbegriffe zu erklären. Dass man Pantheist ist, merkt man möglicherweise daran, dass man die Erhabenheit, die man in der Amtskirche vergeblich gesucht hat, in der Natur findet.
mein TV – magazin:
Können Sie uns kurz noch sagen, worauf sich Leser dabei einstellen können?
Simon Akstinat:
Das Buch erklärt, warum Gottesglaube im Jahr 2021 so aktuell ist wie eh und je, lässt neben der „New York Times“ viele Prominente von Frank Sinatra bis hin zu Ludwig van Beethoven zu Wort kommen und behandelt neben Gott viele große Themen wie z. B. die Natur, die Entstehung und den Sinn des Lebens, den freien Willen und das pantheistische Gemeinde.
I
Wendehälse, Wildkatzen und Wölfe
Interview mit Tierfilmer Andreas Kieling
Er ist Dokumentarfilmer, Filmproduzent und Autor. Sein Spezialgebiet: „Natur und Tiere“. Bekannt ist er einem großen Publikum durch mehrere Produktionen zum Beispiel in der ARD, im ZDF und auf arte geworden. Entsprechend gefüllt ist sein Terminkalender, doch für meinTV-magazin hat sich der engagierte Umweltschützer trotzdem Zeit genommen. Wir erreichten ihn in der schönen Hocheifel an einem Ort, an dem er sich besonders wohl fühlt. Im Wald.
meinTV-magazin: Hallo Herr Kieling, vielen Dank, dass Sie sich unseren Fragen stellen. Sie sind ja ein weitgereister Mann und kennen unter anderem viele Nationalparks in der ganzen Welt. Haben Sie so etwas wie einen Favoriten?
Andreas Kieling: Aber ja, das ist der „Katmai“ in Alaska. Der Nationalpark ist bekannt für die Lachse, die hier hoch wandern und jede Menge Braunbären, auch Grizzlys genannt, anziehen. 1912 brach der Novarupta aus, es war einer der größten Vulkanausbrüche unserer Zeit. Erst dachte man, dass sich die Region nie wieder erholen würde, doch durch das milde Klima hat sich die Natur erstaunlich schnell erholt und die Lachse sind zurückgekommen. Allerdings kann man diesen spektakulären Ort nicht so leicht erreichen. Die letzten Kilometer muss man schon mit einem Wasserflugzeug zurücklegen.
meinTV-magazin: Und wenn Sie sich für einen besser erreichbaren Park entscheiden müssten? Vielleicht sogar in Deutschland?
Andreas Kieling: Dann fällt mir als erstes der „Hainich“ in West-Thüringen ein. Es ist der größte Rotbuchenwald Deutschlands. Das hat schon echten Urwald-Charakter. Und eine außergewöhnliche Artenvielfalt ist zu beobachten. Wildkatzen wie der Luchs sind hier zu Hause und Ornithologen finden Specht-Arten wie den Wendehals oder Sperlingsvögel wie den Neuntöter. Die ernähren sich von Insekten und finden reichlich Nahrung, denn umgestürzte Bäume dürfen im „Hainich“ einfach liegen bleiben. Hier wird die Natur sich selbst überlassen.
meinTV-magazin: Könnte das ein grundsätzliches Konzept zur Rettung des Waldes sein?
Andreas Kieling: Ja natürlich. Und der Wald braucht vor allem Zeit. Viel Zeit. Früher wurden Wälder gepflanzt, da der Mensch das Brenn- und Bauholz dringend brauchte. Historisch betrachtet eine richtige Entscheidung. Der Wald war ein wichtiger Wirtschaftszweig. Heute besteht die Notwendigkeit nicht mehr. Wenn wir den Wald jetzt hingegen als ökologischen Retter sehen, als gigantische Klimaanlage, dann müssen wir ihn in Ruhe lassen. Der Wald braucht sehr lange, um so zu werden, wie wir es uns wünschen. Und was wir Totholz nennen, ist in Wahrheit voller Leben. Für Käfer, Mücken, Amphibien und Reptilien ein idealer Unterschlupf. Wie heißt es so schön: Gut Ding will Weile haben!
meinTV-magazin: Der Luchs ist zurück. Der Wolf auch. Das sehen einige Menschen kritisch. Wie können wir zusammenleben?
Andreas Kieling: Also in Slowenien, wo fast tausend Bären leben, würde man die Frage vermutlich gar nicht verstehen. Man lebt miteinander und kommt klar. In Deutschland haben wir allerdings seit 170 Jahren keine Erfahrung mehr mit Großprädatoren wie Bär, Wolf und Luchs. Hinzu kommt, dass gerade der Wolf zum Beispiel im Märchen stets das Böse verkörpert. Dabei ist es ein sehr gutes Zeichen, dass die Wölfe wieder da sind, denn das ist ja ein Beleg für den hohen Wildbestand in Europa und endlich auch wieder in Deutschland. Der Wolf reguliert den Wildbestand, denn so ist sein Beuteverhalten. Die Anzahl gerissener Nutztiere ist verschwindend gering und wie wenig sich der Wolf für den Menschen interessiert, sehen Sie spätestens, wenn Sie mal versuchen, einen zu filmen oder zu fotografieren. So schnell kann man gar nicht den Auslöser drücken, wie der verschwunden ist. Die Konflikte sind also hausgemacht und wir müssen umdenken. Noch mal von vorne anfangen!
meinTV-magazin: Vielen Dank für das Interview und einen spannenden Tag im herrlichen Eifelwald.
Info Kasten: Andreas Kieling wurde für seine Verdienste als Tierfilmer mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Für den ARD Dreiteiler „Abenteuer Erde-Yukon River“ erhielt er den „Panda-Award“, den Oscar des Tierfilms.
Der meinTV-magazin Online-Tipp:
Wenn Sie noch mehr erfahren wollen zum Beispiel über die Rückkehr der Wölfe, empfehlen wir den Videoblog „Kleine Waldschule“ auf Facebook mit Andreas Kieling.
Nicht alle wollen in den Süden
Im Gespräch mit Immo Vollmer
Immo Vollmer, Dipl. Biologe und Naturschutzreferent der Naturschutzinitiative e.V. (NI) zum Thema „Klima bedingte Änderung des Zugverhaltens und Eutrophierung von Gewässern“:
Über ein verändertes Zugverhalten wurde schon einiges geschrieben. Es gibt dazu aber keine einfachen Aussagen und schon gar nicht die Aussage, dass in Folge des Klimawandels der Vogelzug wesentlich gestört wird.
Die klimatischen Änderungen (ob von bedingter Dauer oder andauernd) ziehen bei den Vogelarten die eine oder andere Reaktion hervor, die aber ebenso von anderen Effekten wieder überlagert wird. In der Regel können klimatische Änderungen bei gut wanderfähigen Arten (wie Vögel) eine Verschiebung der besiedelten Areale nach sich ziehen. So konnte z.B. aufgrund des Vergleiches der europäischen Brutvogelverbreitung zwischen grob 1990 und 2020 gezeigt werden, dass es bei vielen Arten im statistischen Mittel eine Arealausweitung von 1 km pro Jahr nach Norden gegeben hat. Allerdings ist diese Entwicklung nicht gleichgerichtet, da die Veränderungen der Landnutzung (in Europa v.a. durch eine immer intensiver werdende Landwirtschaft und die damit meist versiegende Nahrungsquelle (Thematik Insektensterben) die Arealänderungen noch stärker beeinflusste. Es ist also nicht alleine der Gunst- oder Ungunstfaktor Wärme, der den Aufenthaltsort der Vögel bestimmt. Viel mehr sind es die Faktoren ausreichende Nahrung sowie Brut- und Deckungsmöglichkeiten. Und letzteres schädigt der Mensch viel stärker durch eine veränderte Landnutzung als dass die Umgebungstemperatur darauf Einfluss nimmt. Wärme müsste eigentlich eine besonders gute Entwicklung der Insekten zur Folge haben. Leider ist das Gegenteil der Fall durch Habitatvernichtung und übermäßigen Gebrauch und Eintrag von Insektenvernichtungsmitteln sowie anderen Bioziden.
Arealänderungen und Zugverhalten stehen in gewissen Zusammenhang. Aus dem Vorgenannten ist zum ersten herzuleiten, dass man zu vorschnell und fehlerhaft argumentiert, wenn man Änderungen alleine dem Klimawandel unterschieben möchte (Details zu Arealänderungen u.a. im aktuellen Bericht von T. Krumenacker in „Der Falke“ 2021, Ausgabe Januar)
Änderungen im Zugverhalten geschehen auch nie plötzlich. Der Großteil einer Population hält stärker an den erlernten oder angeborenen Verhaltensweisen fest, während ein kleinerer Teil mehr ausprobiert. Dazu gehört auch das längere Verweilen in den Brutarealen oder dass nur ein verkürzter Zug ausgeführt wird. Der Faktor Auslese beeinflusst letztendlich die weitere Entwicklung. Das Verhalten das erfolgreicher ist, setzt sich auf lange Sicht durch. Die Beobachtung eines veränderten Zugverhaltens betrifft v.a. Mittelstreckenzieher wie z.B. Kranich oder Rotmian sowie Kurzstreckenzieher wie z.B. viele heimische Gewässervögel (Stockente, Zwergtaucher, Haubentaucher etc.). Langstreckenzieher, wie viele Limikolen („Watvögel“), Kuckuck, Pirol oder Störche, die jenseits des Äquators ziehen, zeigen oftmals eine geringere oder höchstens stark verzögerte Reaktion. Deshalb wird z.B. beim Pirol auch vermutet, dass er nicht mehr zur optimalen Entfaltung seiner bevorzugten Nahrung und der Kuckuck nicht mehr zum optimalen Brutbeginn seiner Wirtsarten ankommt. Wahrscheinlich steht dahinter aber auch überwiegend das menschengemachte Insektensterben, denn die Ernährung dieser Arten und die der Wirtsarten beruht überwiegend auf Insekten.
Woher der Verdacht der Verunreinigung der Gewässer kommt, ist uns nicht bekannt. In jedem Fall ist dieser These kein Gewicht beizumessen. Die vereinzelt oder in kleineren Trupps ziehenden Watvögel oder unsere heimischen Wasservögel, die sich an größeren Gewässern konzentrieren, verursachen keine erheblichen Eutrophierungen. Der natürliche Vogelzug ist Teil unserer Ökosysteme und zieht keine Probleme nach sich.
Nordische Gänse, die sich in der Zugzeit teils zu größeren Trupps zusammenfinden, verweilen v.a. an der Küste und im angrenzenden Tiefland. Sie kommen bei uns im Rheinland nur in verringerter Dichte bis in die Kölner Bucht vor. Und auch dort sind lediglich Übernachtungsgemeinschaften auf großflächigen Gewässern zu beobachten, die sich mit Anbruch des Tages schnell wieder auf Wiesen und Ackerflächen als Nahrungshabitat verlagern.
Der Verkotungseffekt ist bei einem Übernachtungsvorgang nicht als hoch einzuschätzen. Zusammen mit den sich an größeren Gewässern ebenfalls konzentrierenden Kurzstreckenziehern unter den heimischen Wasservögeln, gibt es schon eine gewisse Anreicherung an Nährstoffen im Gewässer. Dieser ggf. etwas höhere Eintrag ist aber zeitlich befristet. Nach Ende des Winters, wenn auch die Rastvögel abziehen, verarbeitet das Ökosystem „See“ die eingetragenen Nährstoffe in Form von Pflanzen- und Kleintierentwicklung. Das ist ein natürlicher Vorgang. Den Vogelkonzentrationen zur Zugzeit werden unseres Wissens keine „umkippenden“ Gewässer zur Last gelegt.
Bedenkliche Nährstoffkonzentrationen können eher an kleineren Weihern und Teichen beobachtet werden, die sich aufgrund Ihres geringen Volumens schlechter regenerieren können. Sie sind aber in der Regel kein Ort für größere Zugvogelgemeinschaften, da diese u.a. auf eine hohe Fluchtdistanz und damit ein größeres Gewässer Wert legen.
Was hingegen oft beobachtet wird, sind mehr oder weniger größere Zusammenballungen von neozoischen Gänsen wie Kanadagans, Nilgans aber auch die nach Aussiedlungsprogrammen positiv sich im Bestand entwickelten heimischen Graugänse. Anders als die nordischen Verwandten zeigen diese hier brütenden Gänse aber das Verhalten von Kurzstreckenziehern. Hierbei konzentrieren sich in der Region brütende Tiere sich auf bestimmte Gewässer und ihrem Umfeld, die Sicherheit und ggf. Nahrungsreichtum bieten. Wenn diese Ansammlungen sich im Sommer nicht erheblich reduzieren (z.B. wo an Parkteichen zugefüttert wird), können kleinere Gewässer durchaus Probleme mit dem Abbau der Nährstoffe haben, die dann stark eutrophieren und in der Folge in heißen Sommern sogar umkippen können. Das sind dann aber keine Effekte des Vogelzuges.